Berlin – Brandenburg
Die Region Berlin kulinarisch zu erschließen ist nicht ganz so einfach – was ist schon typisch Berlinerisch außer dem Berliner (der hier Pfannkuchen heißt) und der Currywurst? In der Stadt dominieren ethnische Restaurants, Berlin ist und war ein Schmelztopf. Schon in den 1920ziger Jahren zog es Menschen aus allen Teilen Europas hierher – die einen um Großstadt-Flair zu genießen, die anderen aus purer Not auf der Suche nach Arbeit. Alle brachten die Familienrezepte mit und kochten mit den verfügbaren Zutaten so gut es ging. Diese kamen hauptsächlich aus dem Umland und da die sandigen Brandenburger Böden nie viel hergaben, war die Küche dementsprechend einfach und deftig – Hauptsache man wurde satt.
Man kann also sagen, eine traditionelle Berliner Küche gibt es nicht – allerdings gibt es einige Gerichte, die in Berlin erfunden wurden und es zu landesweiter Verbreitung gebracht haben, z.B. Erbsensuppe, Kassler und die bereits erwähnte Currywurst.
Berliner Erbsensuppe
In den 20er Jahren gab es großen Bedarf an Essen für die ärmere Bevölkerung, geeignet körperlich arbeitende Menschen satt zu machen. Viele der Wohnungen hatten keine Küche, in den Hinterhofhäusern bewohnten ganze Familien ein Zimmer und waren gezwungen, in Gasthäusern zu essen. Der Gastwirt Aschinger eröffnete 1889 eine Trinkhalle und servierte Erbsensuppe für 30 Pfennig mit Schrippen soviel man wollte. Die Suppe war so gut, dass nicht nur Arbeiter und brotlose Künstler kamen – der Ausdruck „auf einen Happen zu Aschinger gehen“ wurde zum geflügelten Wort im Berlin der Jahrhundertwende. Im heutigen Berlin gibt es Erbsensuppe mit teilweise abgedrehten Verfeinerungen der Sterne-Köche, die Deutschlands regionale Küche gerade wiederentdeckt haben (da kommt bei mir die Frage auf: was hat 25 Jahre alter Balsmico Essig in Erbsensuppe zu suchen?) Als Berliner Kneipengericht ist sie inzwischen nebst der dazugehörigen Kneipen weitgehend ausgestorben, auch Aschinger gibt es nicht mehr, trotzdem ist die Erbsensuppe als erstes Fertiggericht der Welt unsterblich geworden: von der Firma Knorr durch trocknen haltbar gemacht, wurde die Erbswurst ein Klassiker.
Kassler
Zu ungefähr der gleichen Zeit erfreute sich gepökeltes Schweinefleisch unter dem Namen „Kassler“ großer Beliebtheit – die lange Haltbarkeit war ein unschätzbarer Vorteil, schließlich hatte der normale Haushalt noch keinen Kühlschrank. Ob der Erfinder tatsächlich ein Berliner Metzger namens Cassel war oder der Name von der französischen „casserole“ abstammt, bleibt ungeklärt – durch die Hugenotten hatte Berlin um 1900 einen starken französischen Einschlag und eine casserole wäre ein geeignetes Gefäß, um Fleisch in Salzlake einzulegen. Wie auch immer, Berlin darf als Entstehungsort gelten, die Stadt Kassel hat nichts mit dem Kassler zu tun!
Eisbein
Was dem Bayern seine „Hax’n“, ist dem Berliner das Eisbein – ersteres im Ofen knusprig gebraten, letzteres gepökelt und gekocht – zwei unterschiedliche Zubereitungsmethoden eines vergleichsweise preiswerten Fleischstückes. Im dicht besiedelten Berlin des 19. Jahrhunderts waren Backöfen rar, kochen war wesentlich einfacher, allerdings zum Nachteil der Optik: eine kross gebratene Haxe sieht einfach ansprechender aus als die farblos gekochte Schwarte. Dem Geschmack des mageren Fleisches unter der Schwarte tut das aber keinen Abbruch und der Berliner an sich ist nicht zimperlich – man muss die Schwarte ja nicht mitessen. Dazu gehört unbedingt Erbspüree, eine im Rest der Republik eher unbekannte Beilage. Getrocknete gelbe oder grüne Erbsen werden eingeweicht, gekocht und püriert – ein schmackhafter Sattmacher aus vergangen Tagen.
Berliner Weisse
Das Berliner Biergartengetränk, von den Franzosen „Champagner des Nordens“ genannt, ist ein obergäriges Bier, leicht säuerlich im Geschmack und daher oft mit zusätzlichen Aromen versehen – wem Himbeer-oder Waldmeistersirup zu süß ist, trinkt es mit Kümmelschnaps (im Volksmund „mit Strippe“) Zum Brauen wird eine Weizen-Gerste Mischung verwendet, das Bier gärt in der Flasche nach und ist lange haltbar, eine früher sehr geschätzte Eigenschaft. In Kleingärtenanlagen war es üblich, dass man im Herbst einen Zwei-Liter-Krug mit Weißbier im Boden verbuddelt hat, im Frühjahr wurde die Saison mit einem großen Weissbiertrinken eröffnet. Übrigens: nur Touristen trinken die Weisse mit Strohalm (hat man uns gesagt)