Die Pfalz – wo Witz wie Wein wächst

Die Pfalz – wo Witz wie Wein wächst

September 16, 2018
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Die Pfalz bildet den Übergang zu Frankreich, Genießer-Mentalität und Feierfreudigkeit sind fest im Alltag verankert. Seit jeher begehen die Pfälzer ihre Weinfeste und nutzen auch sonst jeden Anlass zum Feiern: so wurde es im 18. Jahrhundert den Organisten unter Strafandrohung untersagt, während oder nach dem Gottesdienst Walzer oder Märsche zu spielen – man kann sich vorstellen, wie es in der Kirche zugegangen sein mag!

Vom Klima verwöhnt (im Winter zählt man hier mehr Sonnenstunden als an der Riveria), hält es der Pfälzer mit Gemütlichkeit – man lässt sich nicht hetzen. Auch das ist Lebensqualität, kann aber den Reisenden auf eine harte Geduldsprobe stellen. In einer derart entspannten Genuss-Gegend wird naturgemäß viel Wert auf gutes Essen und Trinken gelegt, Kalorien zählen wäre müßig – man will ja schließlich satt werden. Zu einer Mahlzeit gehört die Suppe ebenso wie der Wein, beide Flüssigkeiten benötigen Brot als Beigabe. Die Pfalz liegt südlich des Butterbrot-Äquators, d.h., Brot wird als Sättigungsbeilage genutzt und entweder mit Butter oder mit Wurst/Käse belegt, niemals beides gleichzeitig. Übrigens heißt es hier “der Butter”. Ein Essen ohne Wein ist kaum vorstellbar, auch das Mittagessen wird durch einen Schoppen aufgewertet, vielleicht trägt auch das zum ausgeglichenen Gemüt der Pfälzer bei.

Die Weinstrasse

Sie bildet das Herzstück der Pfalz, ein Stück deutsche Kulturgeschichte, die Mutter der Ferienstraßen Deutschlands. Die Weinorte sind wie aus dem Bilderbuch, an den Türen hängen Schilder wie “Weinverkauf, bitte klingeln” und die kleinen Weinberg-Trecker sind überall gegenwärtig. Die Weinstrasse misst zwar nur 85 km und man könnte sie in einem halben Tag abhandeln, aber der Genießer nimmt sich Zeit, kehrt ein und verkostet. Weltbekannte Weinlagen und die dazugehörigen Orte liegen wie eine Perlenkette am Rand des Pfälzer Waldes, hier wird seit 2000 Jahren Wein angebaut, man blickt also auf eine gewisse Erfahrung zurück.

Blick von der Rietburg

Wein aussuchen für die Pfalz-Wochen in der Deutschlandreise war eine der Aufgaben, die es während der Reise zu erfüllen galt. Zugegeben, es hätte mich härter treffen können – aber ganz so einfach wie es sich anhört, ist es doch nicht. Ein Wein mit Anspruch sollte es sein, trotzdem bodenständig und traditionell, dabei bezahlbar und kein Massenprodukt – die Versuchsreihe zog sich hin und ich war unentschieden, bis ich nach Rhodt unter Rietberg kam und auf Winzer Heussler senior und Rico traf. Die beiden waren bei der Arbeit im Roßwingert und machten gerade eine Verschnaufpause, so dass ich Gelegenheit zu einem Schwätzchen hatte. Während Rico auf Pause schaltet, beantwortet Winzer Heussler all meine Fragen zu dieser Art der Bodenbewirtschaftung und legt dabei den Grundstein für Bio- und Naturwein in der Deutschlandreise.

Winzer Heussler sen. auf dem Rosswingert, im Hintergrund das Hambacher Schloss

Die Winzerei Heussler hat, der Vorliebe des Senior für die 1 PS Bewirtschaftung folgend, den Roßwingert zur Versuchsstation auserkoren. Die 1,5 Hektar werden ausschließlich durch Mann und Pferd bewirtschaftet, konsequenterweise wird auch bei der Kellerarbeit weitestgehend auf Chemie verzichtet, es entsteht ein ganz besonderer Wein. Warum, das erklärt Herbert Hessler so: bei der maschinellen Bewirtschaftung verdichten die schweren Geräte den Boden bei jedem Bearbeitungsgang, nicht so das Pferd – der Boden bleibt durchlässig, die Rebwurzeln können sich besser ausbreiten, der mineralische Mikrokosmos bleibt ungestört. Ein so schonend bearbeiteter Wingert produziert Terroir-Weine, bei denen sich Lage und Traube voll entfalten können. Das wirtschaftliche Risiko dafür ist hoch, schließlich ist die Roß-Bewirtschaftung zehnmal so aufwendig, der Ertrag durch die Vermeidung von Chemie gering und die Vermarktung durch den hohen Verkaufspreis schwierig. Kurzum, es braucht wohl Idealisten wie Familie Hessler, die sich diesen Herausforderungen stellt!

Pfälzer Saumagen

Diese Spezialität hat es zu überregionaler Bekanntheit gebracht, allerdings verziehen die meisten Un-Eingeweihten leicht angeekelt das Gesicht bei dem Begriff Saumagen: landläufige Meinung ist, das Gericht bestehe aus Innereien und Schlachtabfällen – weit gefehlt: die einzige Innerei ist die Hülle, ein gründlich gereinigter Schweinemagen.  Saumagen besteht zu großen Teilen aus Kartoffeln, den guten Pfälzer Kartoffeln natürlich, Schweinebauch, Brät und Gewürzen wie Majoran und Muskat. Die Mischung wird in die Hülle gefüllt und langsam gar gesotten, so dass sich der Geschmack voll entfalten kann. Am besten schmeckt er Scheibenweise gebraten, dazu gibt es Sauerkraut und Soße.

Herr Hambel in Wachenheim

Grumbeeresupp und Quetschekuche

Aus dem pfälzischen übersetzt heißt das “Kartoffelsuppe und Zwetschgenkuchen” – eine ansonsten ungewöhnliche Kombination, hier ein typisches Herbstgericht. Man ißt beides gleichzeitig, nicht nacheinander, wie man als Nicht-Pfälzer annehmen würde. Die Zusammenstellung macht aus Sicht der bäuerlichen Tradition Sinn: man vereint die Zwetschgen des Spätsommers mit den ersten Kartoffeln der Herbsternte und siehe da – der Kontrast deftig-süß schmeckt und ist ein perfekter Begleiter für die Weinernte!

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